#122 Jahresrückblick 2024 und Ausblick auf 2025 vom Zukunftsforscher

Intro:

Lang, lang ist’s her, dass es „Im Hier und Morgen“ etwas Neues gab. Viele von euch haben sich inzwischen erkundigt, woran das lag, und in dieser Folge möchte ich aufklären und gleichzeitig die ja schon fast traditionelle Rück- und Ausblicksepisode mit euch teilen. Die wird dieses Jahr sehr ausführlich, es war aber ja auch viel los. Redaktionsschluss für diese Episode ist Donnerstag, der 19. Dezember um 17:05 Uhr.

Starten möchte ich mit einer kurzen Erklärung und meinem persönlichen Jahresrückblick. Das erklärt dann auch, warum es so lange ruhig IHUM war. Wer lieber direkt zum Jahresrück- und -ausblick springen möchte, der oder die springe direkt zu Minute 8, Sekunde 20.

  • Auf geht’s! Es gibt viele gute Gründe, warum es so lange keine neue Episode gab.
    • Der erste ist: Ich habe es schlicht nicht geschafft, mich um die Produktion der bereits aufgenommenen Folgen zu kümmern. Außerdem reichten meine finanziellen Mittel schlicht nicht dafür, mir Unterstützung an der Stelle zu suchen. Das hat sich inzwischen geändert, weshalb es ja auch endlich weitergeht. Für eure Geduld möchte ich euch von Herzen danken, insbesondere allen, die dieses Projekt bei Steady unterstützen! Denn ja, ihr könnt dieses Projekt mit einem monatlichen Betrag zwischen 3 und 50 Euro im Monat unterstützen. Je mehr ihr also dieses Format empfehlt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es stetig weitergeht.
    • Nun geht’s endlich weiter und der Plan ist, dass wir in den kommenden Monaten sogar ein ganz neues Format auf den Weg bringen – seid gespannt! Zuerst kommen aber noch zwei bereits produzierte Episoden im neuen Jahr – beide haben es wirklich in sich!
    • Aber nun erstmal zu mir, 2024 und warum der Podcast auf Eis lag.
    • Dieses Jahr war ich beruflich mit meinem Zukunftsinstitut PROFORE, rund 50 Vorträgen zwischen Mainz und Mallorca sowie meinen diversen Buchprojekten mehr als ausgelastet. Aber das erste und wichtigste Argument ist meine Familie. Da gab es viel zu tun, was ich auch sehr gern getan habe, denn die Prio 1 ist natürlich genau das: Familie. Mein Sohn ist jetzt ziemlich genau anderthalb Jahre alt, läuft fröhlich in der Welt umher und erkundet und lernt jeden Tag etwas Neues. Sein erstes Wort war „Hallo“, inzwischen umfasst sein Wortschatz unter anderem wichtige Begriffe wie „blau“, „Blätter“ oder „Otto“. Das ist der Name seines Lieblingskuscheltiers.
    • Dadurch, dass ich dienstlich sehr viel unterwegs war, war es nicht immer einfach, meinem Anspruch von Equal Care gerecht zu werden. An der Stelle übrigens eine Leseempfehlung für Eltern und die, die es mal werden wollen – besonders Väter: „Für Sorge“ von Jo Lücke. Gibt’s auch auf Spotify als Hörbuch, habe ich in den Shownotes verlinkt.
    • Aber zurück zum Thema: Neben den Keynotes habe ich auch noch ein sehr schönes Szenarioprojekt mit meinem Zukunftsinstitut PROFORE durchgeführt. Der Auftraggeber war der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V., der größte Verband der deutschen Immobilienwirtschaft. Das war ein ganz feines Projekt, in dem wir am Ende fünf plausible Szenarien für die deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft für 2035 und 2050 errechnet haben. Dazu gab es noch zwei konkrete Dystopien, um zu zeigen, was passieren könnte, wenn bestimmte Dinge nicht passieren. Ihr findet die Studie veröffentlicht beim ZIA unter www.zia-deutschland.de/zukunftsstudie oder auf der PROFORE-Seite – habe ich auch verlinkt in den Shownotes. Im Wesentlichen steht drin: Nachhaltige Bauwende und KI-Anwendungen müssen JETZT auf den Weg gebracht werden, um die Herausforderungen von Wohnungsnot und Ressourcenwahnsinn gerecht zu werden. Im Detail sind die Szenarien aber erst der Anfang der Arbeit für die Branche, denn nun geht es mit Hochdruck daran, sich konkrete Strategien zur Umsetzung zu überlegen und vor allem den Status Quo auf den Prüfstand zu stellen. Die bisherige Resonanz zum Projekt ist fantastisch und immer mehr Unternehmen und Verbände wenden sich an uns, um zu erfahren, wie sie die Umsetzung im eigenen Hause beschleunigen können.
    • Das war aber noch nicht alles, was mich vom Podcasten abgehalten hat. Ab Mai dieses Jahres ging es in die heiße Phase der Sammelbände, die ich gemeinsam mit drei Co-Herausgebenden bei Springer Nature veröffentliche. Der Titel der Reihe lautet: Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz. Eine kurze inhaltliche Zusammenfassung:
    • Es gibt drei Bände, Band 1 trägt den Beinamen „PLANET“ und umfasst 31 Beiträge rund um ökologische Themen und innovative Lösungsansätze zur Erreichung der Klimaziele. Darin findet ihr also unter anderem Beiträge über Biodiversität, den Temperatur- und Meeresanstieg, Verschmutzung von Meeren, aber eben auch die Beseitigung all dieser und weiterer Herausforderungen. Dieser erste Band erschien am 1. September 2024, Link in den Shownotes.
    • Band 2 heißt „PEOPLE“ und stellt die sozialen und gesundheitlichen Aspekte von Nachhaltigkeit ins Zentrum. Hier geht es also unter anderem um Flucht, Armut, Gleichberechtigung, Medizin und HR-Management. Dieser Teil hat auch 31 Beiträge, ist aber deutlich länger, und er erscheint voraussichtlich im Januar.
    • Der dritte Band heißt „PROFIT“ und kümmert sich vor allem um wirtschaftliche Themen – darunter innovative Technologien in der Energiewende, 3D-Druck, KI, Quantencomputer, Smart Mobility oder Smart Cities, aber auch Konzepte wie die Gemeinwohlökonomie und Cradle-to-Cradle. Letzteres wurde von keinem geringeren als dem Erfinder dieses Konzepts, das die Kreislaufwirtschaft auf stofflicher Ebene durchdekliniert, geschrieben – Prof. Dr. Michael Braungart. Der dritte Band ist der mit Abstand umfangreichste und erscheint im Frühjahr 2025.
    • Will sagen: Dieses Projekt mit über 100 Beiträgen von gut 200 tollen Menschen aus Wissenschaft und Praxis ist mein zweites Baby geworden. Auch an dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die einen Teil zu diesem Mammutprojekt beigetragen haben!
    • Wir Herausgebenden verzichten übrigens komplett auf Einnahmen, damit der Preis der Bücher möglichst geringgehalten werden kann – das bedeutet beim Fachbuch immer noch rund 50 Euro, als ebook aber nur 12,99 Euro. Kleines Schmankerl: Unser Projekt ist eins der ersten, das in der Springer-Sonderserie „SDG – Forschung, Konzepte, Lösungsansätze zur Nachhaltigkeit“ publiziert wird. Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen damit zu erreichen; denn das Wissen über die komplexen Zusammenhänge von Nachhaltigkeit auf allen Ebenen wird in Zukunft noch viel wichtiger werden. Insofern: Feel free to spread the word! Wir suchen auch immer wieder nach Veranstaltungen und Medien, die sich trauen, Komplexität zuzulassen und Nachhaltigkeit auf die Agenda zu schreiben. Kontaktiert mich über die bekannten Wege.
    • Last but not least bin ich seit April auch wieder im Vorstand des Alumnivereins des Masterstudiengangs Zukunftsforschung. Das ist mir eine besondere Freude und Ehre, da ich den Verein ja vor gut zehn Jahren auch mitgegründet habe. Nun, nach Corona, bringen wir wieder sehr viel Leben in die Gruppe der Ehemaligen, von denen ja vielleicht auch einige hier zuhören. Dazu gehört eine bessere Vernetzung mit aktuellen Studierenden und anderen Netzwerken in Deutschland, Europa und der Welt. Aber natürlich bedeutet das Ganze auch ein gewisses Zeitinvest und ja, vielleicht habe ich den Podcast genau dafür zurückgestellt, um die Zukunftsforschung weiter voranzubringen.
    • Aber es gibt auch einen Lichtblick: Ich habe mir wie oben schon erwähnt Verstärkung fürs Podcasten geholt. Darüber gibt’s schon sehr bald sehr viel mehr News, aber an dieser Stelle sei schon so viel verraten: Es wird groß, anders, bunt – und bleibt trotzdem der Seele von „Im Hier und Morgen“ treu. Das heißt: Heute wissen, was morgen wichtig wird, und eine Prise Future Punk.

Kommen wir zum zweiten Teil: Rück- und Ausblick in den Themenfeldern Politik, Wirtschaft, Technologie, Gesellschaft und Umwelt.

  • Rückblick
    • Lasst uns mit einem Blick auf die deutsche politische Landschaft starten. Es gab dieses Jahr einen erheblichen Rechtsruck bei dt. Landtagswahlen -> das relativ neue Bündnis Sahra Wagenknecht, kurz BSW, regiert jetzt in Brandenburg und Thüringen mit, nicht mal ein Jahr nach dessen Gründung. In Sachsen hatte das BSW die Koalitionsverhandlungen aufgrund der Ukraine-Frage platzen lassen, weshalb es hier jetzt eine gar nicht mal so Große Koalition unter Ministerpräsident Kretschmer gibt – als Minderheitsregierung. Das ist schon ein Knaller, weil das BSW erstens offensichtlich eine Einpersonenpartei ist und zweitens inhaltlich eine sehr krude Mischung aus putinfreundlichen AfD-Positionen und Ex-Stasi-Mitarbeitern. Auf dem klassischen Spektrum links-rechts ist die Partei darüber schwer einzuordnen, denn sie fischt überall dort nach Stimmen, wo die etablierten Parteien sie verspielt haben. Das macht aus politikwissenschaftlicher Sicht im Wahlkampf und der Rhetorik viel Sinn, ist aber im besten Fall inhaltlich ambivalent, opportunistisch und populistisch. Ein konsistentes, stringentes Parteiprogramm kann man damit nicht zimmern. Aber das ist den Wähler:innen vermutlich auch egal, die sich eher über frischen Wind freuen und sich gern von exzellenter Rhetorik blenden lassen. Fakten sind ja aus deren Sicht ohnehin nur eine Art der Interpretation von Wirklichkeit und sie haben eben ihre eigene. GRUSELIG!! Oder aber schlicht ein Zeichen für eine Zeitenwende in den Parlamenten, welche ja letztlich die Interessen der Bevölkerung spiegeln.
    • Immerhin hat es nirgends die AfD in Regierungsverantwortung geschafft, trotz Ergebnissen von bis zu knapp 33 Prozent in Thüringen. Es gibt also auch gute Nachrichten. Dennoch: Vor der Bundestagswahl im Februar schauen viele natürlich regelmäßig auf die Ergebnisse der Sonntagsfrage, wo denn die Rechtsextremen von der A-Partei gerade stehen. Gerade für mich als Wahl-Sachse in Leipzig ist die Vorstellung wirklich gruselig, dass bei der nächsten Wahl eine Nazi-Partei mit nachgewiesenen Verbindungen in den Untergrund, gegen die ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht geprüft wird, ca. ein Fünftel der Stimmen bekommen könnte. Zusammen mit dem BSW könnte die AfD sogar eine Art Sperrminorität im Bundestag erlangen, was nichts anderes als vier Jahre Stillstand bedeuten könnte, wenn die nächste Koalition denn solange durchhält unter den Voraussetzungen. Und das Chaos, das daraus entsteht, nutzen erfahrungsgemäß genau diese Extremparteien am effektivsten. Parallel wird es ja in diesem Jahrzehnt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch mehr Wetterextreme und andere Umweltkatastrophen geben, für die natürlich das „Establishment“ verantwortlich gemacht werden würde. Und komplett falsch wäre das ja gar nicht, doch blöde ist, dass die Waffen der Populisten in solchen Phasen besser funktionieren.
    • Anstatt nur auf die üblichen Umfragen zu schauen, arbeite ich ganz gern mit dem Koalitionsrechner von DAWUM. DAWUM steht für „Darstellung und Auswertung von Wahlumfragen“. Betrieben wird das Portal vom Datenschutzjuristen Philipp Guttmann, zu dessen Hintergrund habe ich ein nettes Interview bei LTO in den Shownotes verlinkt. Jedenfalls ist nach einer nüchternen Prognose eine Große Koalition das wahrscheinlichste Szenario bei der Bundestagswahl – nicht zuletzt, da die Zeit des Wahlkampfs ja durch die Weihnachtsfeiertage doch deutlich reduziert ist, die Vertrauensfrage wurde ja erst am 11.12. von Kanzler Olaf Scholz gestellt mit dem erwarteten Ausgang; es gibt Neuwahlen am 23. Februar 2025. Die GroKo hätte nach aktuellen Zahlen Mitte Dezember 357 Sitze im neuen Bundestag, der ja nur noch 630 Sitze haben wird. Wie dem auch sei, rein rechnerisch wäre natürlich auch eine schwarz-grüne Koalition denkbar, nach aktuellen Werten hätte diese Konstellation eine Mehrheit von 330 Sitzen. Wenn die Linke und /oder die FDP es in den Bundestag schaffen, verändern sich diese Werte entsprechend. Außerdem gibt’s noch Volt als relativ neue Partei am links-grün-liberalen-Spektrum, die kürzlich die größte Einzelspende erhalten haben – damit ist Volt eine weitere Wildcard im kommenden Wahlkampf.

Interessant war, dass Friedrich Merz höchstpersönlich kürzlich öffentlich mit dieser Option, schwarz-grün, sympathisiert hat. Doch kurz darauf wurde er von CDU-Chef Linnemann und CSU-Chef Söder zurückgepfiffen – ich stelle mir das Chaos in der Union ja immer wieder höchst spannend vor. Schön war auch Merz‘ Auftritt bei Joko und Klaas, wo er persönliche Angriffe gegen politische Konkurrenten kritisiert; dabei hält er sich selbst und auch andere Figuren der Partei genau damit ja nicht bedeckt. Robert Habeck hat er „Gesicht der Wirtschaftskrise“ bezeichnet. Mit einem der beiden wird er bald wahrscheinlich koalieren müssen, das wissen wir alle – wozu also der Zirkus?

  • Manchmal frage ich mich, wahrscheinlich nicht als erster, ob einige dieser Menschen die Bevölkerung eigentlich für komplett blöde halten. Aber naja, das gehört natürlich alles zum politischen Schlagabtausch dazu. Als Politikwissenschaftler habe ich auch zumindest ein intellektuelles Verständnis dafür, dass bestimmte Trends und Äußer…

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