#101 Clara Duvigneau (Fridays for Future Berlin) über Klimawandel, Verkehrswende und ihre Utopie …
Intro: Moin und herzlich willkommen „Im Hier und Morgen“, dem Podcast, der dich auf eine Reise in die Zukunft einlädt. Ich bin Kai Gondlach, Zukunftsforscher der modernen Generation und Future Punk. Moin Zukunft, moin „Im Hier und Morgen“!
Clara … Ich hätte einfach richtig, richtig Bock, in so einer schönen Welt zu leben, in der viel Fahrrad gefahren wird, in der es nicht nur um Profite geht und in der die Menschen irgendwie bisschen glücklich sein können ohne sich die ganze Zeit über die Krisen den Kopf kaputt zu denken. …
Kai …, sagt Clara Duvigneau von Fridays for Future in Berlin. Clara ist seit einigen Jahren Klima-Gerechtigkeits-Aktivistin bei den Fridays for Future, sie lebt in Berlin und studiert dort Ökologie und Umweltplanung an der TU und setzt sich dafür ein, dass wir uns etwas besser um das Klima, um unsere Umwelt kümmern. In dieser Episode sind wir wie so oft relativ nachdenklich unterwegs, teils auch wütend aber auch teils versöhnlich gegenüber denjenigen, die wahrscheinlich in den letzten Jahren, Jahrzehnten den größten Beitrag dazu geleistet haben, dass wir diese Situation haben, die wir haben, also die Klimakrise. Insofern quetsche ich Clara aus über die wichtigsten Themen der Bewegung, aber auch ihre persönliche Sicht auf die Dinge aus, und ganz wichtig, ich befrage sie eben auch zu ihrer Utopie, denn das geht aus meiner Sicht immer mal wieder unter im öffentlichen Diskurs. Es wird viel gestritten, es wird viel Positionen werden ausgetauscht und dabei kommt es manchmal ein bisschen kurz, warum wir das eigentlich alles machen. Und das finde ich, hat sehr gut geklappt. Ich habe einige neue Gedanken gedacht in dieser Episode und bin wirklich sehr dankbar für dieses tolle Gespräch und wünsche dir jetzt auch eine erkenntnisreiche und unterhaltsame Episode „Im Hier und Morgen“ mit Clara Duvigneau.
Herzlich willkommen „Im Hier und Morgen“, heute zu Gast ist bei mir Clara Duvigneau. Sie ist von den Fridays for Future in Berlin und liebe Clara, ich freue mich, dass wir endlich einen Termin gefunden haben und das es endlich klappt, dass wir hier sprechen „Im Hier und Morgen“, und dass du Zeit auch gefunden hast und die Bahn noch gekommen ist. Insofern würde ich sagen, stell dich mal bitte gerne mal vor, für alle, die dich möglicherweise noch nicht kennen.
Clara Ja hi, vielen Dank für die Einladung. Ich bin Clara Duvigneau. Ich bin 21 Jahre alt und Klimaaktivistin bei Fridays for Future und Studentin aus Berlin.
Kai Genau und was hat dich bewogen, Klimaaktivistin zu werden? Wie lange bist du schon dabei?
Clara Knapp drei Jahre jetzt ungefähr, glaube ich. Man verliert irgendwann so ein bisschen den Überblick, ich weiß nicht. Es gab nicht für mich so den einen Moment, wo ich dachte, ich muss jetzt unbedingt mitmachen, als das ganze losging 2018/2019 mit Fridays for Future, da war ich selber noch Schülerin und total begeistert von den Protesten, aber habe irgendwie mitten im Abi gesteckt und mich nicht so richtig getraut, in der Zeit irgendwie mitzumachen und dachte so ein bisschen, ja, das ist was für die krassen Kids und habe mich irgendwie nicht so richtig, mir nicht den Ruck geben können und das kam dann aber mit dem Studium und dann einer Initiative von FFF an meiner Uni und dann bin ich über die Students for Future dann irgendwann zu den Fridays gekommen.
Kai Ah, okay, und wo studierst du? Was studierst du?
Clara Ich studiere Ökologie und Umweltplanung an der TU Berlin.
Kai Konsequent.
Clara Ja, genau.
Kai Erklär mal ganz kurz ein bisschen was darüber, also klar die Themen, die die Begriffe sagen mir jetzt was und wahrscheinlich auch den Menschen, die hier zuhören, aber was steckt dahinter, womit beschäftigst du dich oder womit beschäftigt ihr euch da in den Studiengängen?
Clara Also, das Ganze ist so ein bisschen in zwei Teile gegliedert. Wir haben auf der einen Seite irgendwie so ein bisschen reguläre Naturwissenschaften und Umweltwissenschaften. Wir gucken uns zum Beispiel Bodenkunde an, ich habe gerade einen Kartierkurs zur Pflanzenbestimmung, wir machen Hydrologie-Berechnungen, gucken uns zum Beispiel an, wie funktionieren so ein Abfluss und machen da so Diagramme und sowas alles und dann haben wir Planungswissenschaften und gucken uns so ein bisschen die rechtlichen Hintergründe an. Was ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung? Wie funktioniert das überhaupt, wenn eine Windkraftanlage in Deutschland gebaut werden soll? Und genau, dieser Studiengang vereint das so ein bisschen und man kann dann selber schauen, in welche Richtung man sich profilieren möchte später. Genau, ich bin noch nicht so weit ich weiß noch nicht ganz genau in welche Richtung es geht, aber ich hatte zum Beispiel heute eine superspannende Vorlesung zur Planungsbeschleunigung in Deutschland. Das war richtig cool, genau, mit jemandem vom BUND.
Kai Ah, vielleicht steigen wir da direkt mal ein.
Clara Ja, voll gerne.
Kai Ja, das finde ich direkt mal ein spannendes Thema, weil ich bin jetzt gerade selbst aktiv ein bisschen involviert in dem Bereich Stadtentwicklung, also, das, was irgendwie alles zusammen kommt, also, Wohnen und Energie und Mobilität und was nicht alles. Und man merkt ja immer wieder: alle lästern dann über das Planen, das Vorbereiten dauert immer schon unendlich lange und dasselbe gilt natürlich auch für Energiesachen. Wie ist denn deine Sicht auf die Dinge aber auch gerne so ein bisschen im Tandem mit FFF, also, auf die Positionierung auch irgendwie, wo sind die Probleme?
Clara Ehrlich gesagt, ich finde diese Art von Vorlesungen meistens ziemlich frustrierend. Ich werde eigentlich immer so ein bisschen sauer nebenbei und habe so oft auch innerlich, fällt es mir dann ab einem bestimmten Punkt auch schwer mich wirklich auf die Details zu konzentrieren, weil ich das Ganze so absurd finde, häufig. Wir haben super gute Regelungen teilweise in Deutschland, die sind sehr nachvollziehbar und irgendwie sinnvoll und gut gemacht aber, wenn man sich dann z. B. die Ausnahmen anguckt, da wird es einem schon ziemlich schaurig und, also, ich glaube, es ist ziemlich eindeutig, wir müssen schneller werden irgendwie in der Energiewende. Aber das, was wir z. B. heute in dieser Vorlesung gelernt haben ist, dass selbst auch bei den aktuellen Gesetzesentwürfen und Beschlüssen, die jetzt passiert sind, niemand das Ganze mal so richtig gründlich evaluiert hat, was genau die Planung beschleunigt und natürlich ist es megawichtig, dass das Ganze vorangeht, aber das, was wir im Moment sehen, ist dass eben auch im Straßenverkehr die Planungsbeschleunigung stattfindet. Dass eben auch fossile Großprojekte auf einmal sehr, sehr viel schneller umgesetzt werden, wie zum Beispiel LNG-Terminals, bei denen auf einmal keine Umweltverträglichkeitsprüfung mehr gemacht wird und das ist dann natürlich auch ziemlich fatal und ich glaube, das Ganze ist eine Krise, die ziemlich viele unterschiedliche Punkte hat, an denen man ansetzen muss und das macht das Ganze so komplex. Es gibt nicht die eine Sache, die man in der Planungsbeschleunigung irgendwie ändern kann und dann haben wir die große Lösung, sondern die Krisen liegen eben in ganz vielen unterschiedlichen Ursachen und deswegen ist es auch nicht so einfach, die eine Lösung zu finden. Ich glaube trotzdem, dass da gute Fortschritte gemacht wurden in der aktuellen Bundesregierung und das Ganze wird zumindest jetzt auch mal angegangen, das ist auf jeden Fall eine gute Sache. Aber was natürlich nicht sein kann, ist, dass nur, weil wir die Energiewende beschleunigen, wollen wir auf einmal fossile Großprojekte easy peasy durchwinken, ohne irgendwie zu gucken, was das für die Umwelt und für den Menschen und vor allem auch für den Artenschutz bedeutet.
Kai Absolut, was kann man denn da noch voran schieben? Also, Planungsbeschleunigung, aber eben halt mit Augenmaß, also, schon Richtung Erneuerbare unterstelle ich jetzt einfach, also, Umweltverträglichkeitsprüfung und eben halt nicht, dass halt auch das Kohlekraftwerk schneller gebaut werden kann, das wäre halt unsinnig. Aber was kann man noch machen? Also, der wo setzt ihr denn auch mit FFF an?
Clara Was wir sagen, ist, dass halt nicht mehr die Dinge gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Was wir im Moment sehen, sind ultra verhärtete Fronten. Es wird versucht, Artenschützer:innen gegen Klimaschützer:innen auszuspielen, was ja völlig absurd ist. Ich meine, egal, was der Mensch tut, er nimmt immer Arten und der Natur was weg, wenn wir was Neues bauen. Das ist auf jeden Fall erstmal Fakt, aber es ist die Frage, in welchem Ausmaß wir das tun und ob wir Ausgleichsmöglichkeiten finden. Und mich ärgert es total, dass so Akteure, die eigentlich andere Interessen haben, diese Debatte so für sich nutzen und versuchen, irgendwie Menschen gegeneinander aufzuheizen und auszuspielen, denn das, was wir eigentlich brauchen, ist konsequenter Klimaschutz und konsequenter Artenschutz, denn die Biodiversitätskrise, die lässt sich auch nicht einfach so untern Tisch kehren, auch, wenn das gerne bei vielen Menschen vergessen wird und, ich weiß nicht, auch bei FFF häufig untergeht, ist es auch eine super große Krise, die wir nicht vergessen dürfen.
Kai Auf jeden Fall, also, ohne Artenvielfalt, ich meine, viele denken jetzt vielleicht an Bienen oder an den Eisbären, das sind die beiden Bilder, die Menschen kennen. Bienen kann man sich da vorstellen, dass das etwas mit Bestäubung zu tun hat und irgendwie Lebensmitteln. Eisbären, da fragt man sich dann immer: Hey, mir egal, wenn ein Eisbär auf der Scholle rumläuft oder nicht. Das sind natürlich auch Bestandteile sehr, sehr komplexer Systeme. Also, ich glaube, ich weiß warum oder ich habe eine Idee davon, warum das oft vergessen wird, weil es Angst macht und es ist unmittelbar. Wir merken es immer mehr, jeder Mensch auf der Welt, egal wo er lebt, weiß, dass es weniger geworden sind, also jetzt schon, also, egal, ob du in einer Großstadt wohnst oder irgendwo auf dem Land: es sind weniger Insekten und pipapo. Also, genau, das ist das eine. Jetzt fange ich aber auch schon an, mich in Rage zu reden, weil es ist halt wirklich, es wird übersehen und, wo du es gerade so ansprichst, dann gibt’s ja immer auch diejenigen, die euch, ich sage jetzt mal ganz bewusst euch so als Bewegung, ist jetzt irgendwie auch schwierig als ein Kollektiv zu sehen, aber ich sage mal Leute, die sich auch irgendwie da dem zugehörig fühlen, den Idealen von Fridays for Future, euch wird dann ja oftmals vorgeworfen: Ja, ganz tolle Ideale, ist ja alles ganz schön und so. Und dann gibt’s ja immer die alten weißen Herren, die dann irgendwie in einer Talkshow sitzen und sagen: „Ja, das ist ganz gut und ist finde ich ja schön, dass ihr euch engagiert, ABER.. und ihr seid ja total fachlich inkompetent, weil ihr habt, ja gar nicht die Erfahrung wie wir, 40 Jahre lang schon im Job und wir haben alles schon gesehen und so, die ganze die echte Welt funktioniert ja auch ganz anders.“ Was würdest du solchen Leuten entgegnen, wenn ihr das auf dem Podium entgegenwerfen?
Clara 40 Jahre gegen die Wand gefahren. Das würde ich erstmal sagen. Naja, also, diese Situation ist tatsächlich schon relativ häufig vorgekommen, als junge Frau wird man tendenziell leider von solchen Herrschaften eher weniger ernstgenommen und man muss sich ziemlich einen abkämpfen, bis irgendwie einem überhaupt mal zugehört wird und auf einen eingegangen wird. Ich glaube, es ist aber auch nicht verwunderlich, also, so Menschen, die viele Profite auf Kosten anderer machen, auf Kosten unserer Umwelt, auf Kosten unserer Ressourcen, haben durch diese Profite eine sehr, sehr große Macht, weil sie eben dieses Geld besitzen, und das können sie ganz einfach easy peasy für ihre Lobbyarbeit nutzen, um ihre Interessen weiter durchzusetzen und um sich diese Machtposition zu erhalten. Und das, was wir im Moment erleben, dass immer mehr Menschen sich dagegen auflehnen, das erfährt viel Zuspruch aber gleichzeitig sehr, sehr viel Widerstand und vor allem aus der Ecke derer die Schiss um ihre Machtposition auf einmal bekommen, weil sie sich ihre Machtposition so fest etabliert haben und sich so sicher darin fühlen, dass sie irgendwie das Recht dazu haben, unsere Erde kaputt zu machen, unsere Zukunft kaputt zu machen und, dass sie irgendwie dabei völlig den Bezug zu diesen Dingen verlieren und, dass sie, also, ich will jetzt niemandem unterstellen, dass sie diese Personen irgendwie einen Realitätsverlust haben, aber ich glaube ich glaube schon, dass, wenn man sehr tief in dieser immer nach Wachstum strebenden, nach Profit strebenden Welt drin steckt, dass man manchmal vielleicht vergisst, was man da eigentlich gerade tut und worum es da eigentlich gerade geht. Und das ist was sehr Erschreckendes und deswegen, unter anderem deswegen, natürlich auch wegen ganz vielen anderen Gründen, aber stehen wir auf den Straßen und auf den Podien und in der Presse und in den Talkshows und halten dem was entgegen und versuchen irgendwie, diesen Menschen zu sagen: Hey Leute, das hat jetzt irgendwie die letzten Jahrhunderte ganz gut funktioniert, aber ihr seht, wenn ihr euch umguckt, dass wir eigentlich ziemlich viel Schaden angerichtet haben und damit müssen wir aufhören und das müssen wir jetzt ändern.
Kai Absolut, sehe definitiv genauso und das ist natürlich auch, also, ich glaube einer der wichtigsten Mehrwerte, den Fridays for Future, in Folge dessen, was da irgendwann mal in Stockholm losgegangen ist, glaube ich, geliefert haben ist, dieses Narrativ, dieses gängige Narrativ zu zerstören, von wegen: das sind die jungen Leute, die haben keine Lust, freitags zur Schule zu gehen oder was auch immer, hin zu: es gibt Fridays for Future, es gibt, wie du vorhin schon meintest, Students for Futures, es gibt Psychologisst, es gibt Omas, es gibt Entrepreneurs, alles for Future, die sich daraufhin gegründet haben. Die sind nicht alle mit einer Extremen verbunden, ihr sitzt nicht irgendwie alle im Headquarter und überlegt gemeinsame Strategien, nehme ich mal einfach an, aber ich glaube dadurch ist dieser gesellschaftliche, nicht Konsens, aber die gesellschaftliche Zielsetzung eigentlich ein bisschen klarer geworden oder wie hast du das erlebt?
Clara Ja, also, tatsächlich gibt’s sogar einen Zusammenschluss. Also, es gibt einmal im Jahr den sogenannten „For Future Kongress“, wo alle „For Future Bewegungen“ sich zusammenfinden und sich austauschen und die großen Narrative sind dann ja doch irgendwie die Gleichen. Aber, ich glaube eins der wichtigsten Dinge, die FFF geschafft hat und bzw. wo wir auch immer noch dabei sind, weil es einfach super, super schwierig ist, allen Menschen begreiflich zu machen, weil so, so lange ein anderes Narrativ geherrscht hat, ist deutlich zu machen, die Klimakrise hat ihren Ursprung nicht im Konsumverhalten einzelner Menschen, sondern ist Ursache von Großkonzernen, von Staaten, die einfach über Jahrhunderte in fossile Energien investiert haben und deren Interesse ist, das aufrechtzuerhalten. Und diese Fokussierung auf: hast du jetzt irgendwie eine Plastiktüte beim Einkaufen benutzt oder kaufst du jetzt Bio oder kaufst du nicht Bio, benutzt du eine Bambus-Zahnbürste oder eine Plastik-Zahnbürste, die soll davon ablenken dahinzuschauen, wo wirklich die großen Hebel der Klimakrise sind. Und das ist auch überhaupt gar kein Zufall, dass der ökologische Fußabdruck von einem der größten Ölkonzerne der Welt ins Leben gerufen wurde, nämlich um den Menschen ein schlechtes Gewissen zu geben und sie mit ihrem schlechten Gewissen alleine zu lassen und die Verantwortung auf diese Menschen abzuwälzen. Und das ist so ein bisschen eine der großen Missionen von FFF, dass wir versuchen, dieses Narrativ zu ändern und den Menschen klar zu machen: Hey Leute, es ist die Verantwortung der Politik, es ist die Verantwortung der Entscheidungsträger:innen, es ist die Verantwortung derer, die an den Spitzen der großen Konzerne sitzen, dieses Verhalten zu ändern, dieses Narrativ, also. So raus aus fossilen Energieträgern, aus denen auszusteigen und ich glaube, da sind wir auf jeden Fall in den letzten vier, fünf Jahren ein großes, großes Stück weitergekommen und ich würde sagen, das ist einer der größten Erfolgsmomente von Fridays for Future, dass wir es geschafft haben, die wahren Treiber der Klimakrise endlich anzuprangern. Genau, aber natürlich weitere Dinge sind, also das sind auch ganz konkrete Sachen, die wir geschafft haben. Also, wir haben ein Klimaschutzgesetz irgendwie in die Wege geleitet, wir haben dafür gesagt, dass in Lützerath so viele Menschen waren, dass RWE jetzt auf Rügen kein neues LNG-Terminal mehr bauen will, also, es sind viele Dinge passiert in den letzten Jahren und ich glaube es ist sehr gut, dass es Fridays for Future gibt.
Kai Auf jeden Fall, also, das ist glaube ich total unbestritten, das unterschreibe ich sofort und ich würde auch noch ergänzen zu dem, was du gerade sagtest, mit dem ökologischen Fußabdruck. Das ist für mich so ein bisschen wie ein Treppenwitz der Geschichte, wenn man es mal so richtig groß aufmacht, also, einmal das von wegen Greenwashing logischerweise durch BP, kannst du auch ganz klar benennen, die haben das erfunden und jemand vermarktet quasi dieses Dings und das andere ist aber, wenn man so 250 Jahre das nochmal aufspannt, im Grunde machen die damit nichts anderes als so einen modernen Ablasshandel, weil, also, der Ablass von Großunternehmen, die sich dann irgendwie Zertifikate kaufen dürfen, um sich ihren eigenen Footprint wieder reinzuwaschen, an dem Handel dürfen ja übrigens Privatperson in der Regel nicht teilnehmen, das heißt, dann hat man sozusagen die kleinen Menschen ausgeklammert, mit Ausnahme von so einem solchen coolen Initiativen, wie „ForTomorrow“. Also, ich will nur sagen, dieses Ablass-Prinzip ist deshalb so lustig, weil es absurd zeigt, wie sehr das auch gar nicht mal nur auf irgendwelchen sehr rationalen Geschichten basiert, die ganze Nummer mit dem Öl und Co., sondern halt wirklich auch so eine Art Religionen oder so eine Sekte fast schon zum Teil. Gleichzeitig würde ich aber auch sagen, und jetzt wieder schwenke ich so ein bisschen in die Wirtschaft und auch in die Kritikerhaltung: Ich habe ja viel mit Unternehmern und Unternehmerinnen zu tun, egal wo, oft KMU, oft große Konzerne, die arbeiten oder viele von den Menschen, die du da fragst, egal was die machen, würden jederzeit sagen: ich bin inhaltlich total dabei, also, Klimaschutz ist superwichtig und Artenvielfalt, das alles. Aber das, was wir hier machen, ist halt wirklich wichtig, also, ob du jetzt in egal welche Industrie guckst, natürlich hast du überall Energiebedarfe, also, Dienstleistung vielleicht ein bisschen weniger, aber so alles, was Produkte herstellt, alles, was Energie erzeugt oder transportiert, alle Transportdienstleistung, natürlich, logischerweise, Mobilität hat immer damit zu tun, dass Energie verbraucht wird. So, und die sagen jetzt natürlich, dann, vielleicht nicht ganz zu Unrecht: Ja, und jeden Tag stehen knapp 83 Millionen plus/minus Menschen in diesem Land auf und viele davon brauchen unsere Dienstleistungen, unsere Services und die steigen vielleicht in irgendeinen Bus irgendwo, der fährt vielleicht elektrisch, aber da sind halt Teile drin, die jetzt auch nicht super nachhaltig irgendwo sind und der Strom kommt auch nicht immer aus dem nachhaltigen Dings. Was sagt ihr den Leuten, die sagen: „ja ich finde, ich bin idealistisch schon an Bord, aber wir brauchen halt echt noch ganz schön viel Zeit, bis wir so viele Dienstleistungen, Produkte auch wirklich nachhaltig regenerativ herstellen und betreiben können?“
Clara Ich wünschte, wir hätten diese Zeit, ich wünschte, wir könnten den Menschen sagen: Hey, nehmt euch die Zeit, die ihr braucht. Aber, das hätten wir vor 50, 60 Jahren machen können, zu einem Zeitpunkt, wo ich überhaupt noch nicht auf dieser Welt war. Also, so ich glaube viele dieser Leute, die solche Dinge äußern, haben entweder noch nicht komplett begriffen, was die Klimakrise ist, was für ein Ausmaß die Klimakrise hat und wie groß das Ganze ist und das ist, wenn wir jetzt nicht radikal auf alle Bremsen treten die wir haben, wir später so stark eingeschränkt werden in unserem Leben, in unserer Freiheit, die ja immer so groß bedroht scheint, wenn man auch nur das Wort Tempolimit in den Mund nimmt… Und, also, ich glaube, es klingt immer so ein bisschen arrogant vielleicht, aber ich möchte am liebsten den Menschen unterstellen, dass sie es noch nicht verstanden haben, weil, wenn ich ihnen unterstelle, dass sie es verstanden haben und sie aber trotzdem so handeln, wie sie handeln ,und trotzdem Teil zum Beispiel von Großkonzernen sind, die maßgebliche Treiber der Klimakrise sind, dann müsste ich ihnen unterstellen, dass sie das bewusst tun und absichtlich tun und in Kauf nehmen, dass unser Klima zerstört wird, dass unsere Erde zerstört wird und damit, ganz klar, auch meine Zukunft kaputt gemacht wird, meine Gegenwart und die Gegenwart vieler, vieler Menschen bereits heute. Also, so, wenn man sich viele Länder im globalen Süden anguckt, wenn man sich alleine in unserem Nachbarland umguckt, so, in Frankreich, da muss jetzt schon das Wasser rationiert werden. Es sind einfach Ausmaße, die unser Leben beeinträchtigen werden, die Menschen sich überhaupt gar nicht vorstellen können und ich finde es ist immer so absurd, wenn man dann irgendwie darum streitet, ob es jetzt irgendwie Dienstleistung XY noch in klimaneutral geben kann oder nicht, wir müssen gucken, dass wir gesamtgesellschaftlich auf die Bremse treten und das heißt vor allem, raus aus Kohle, Öl und Gas und zwar zack, zack, zack! Und wenn das bedeutet, dass wir zwischenzeitlich nicht mehr in dem oder generell nicht mehr in dem Überfluss leben können, den wir im Moment gewöhnt sind, dann ist das was, womit wir uns anfreunden müssen und womit wir irgendwie leben müssen, weil es ist keine Frage von irgendwie „nice to have“ oder nicht, sondern es geht ganz simpel darum, wie dieses Leben auf unserem Planeten möglich sein soll oder eben nicht und Deutschland ist ein maßgeblicher Treiber der Klimakrise seit über 200 Jahren, ist eine der ältesten Industrienationen weltweit. Wir haben super viele Großkonzerne bei uns sitzen, die ziemlich viele Emissionen zu verantworten haben und auch, wenn ich dieses Geblubber höre von wegen: Ja, aber die anderen Staaten müssen ja auch … Ja, natürlich müssen die anderen Staaten auch, aber man kann nicht mit dem Finger auf andere zeigen, während bei einem selber irgendwie die fossilen Gasprojekte aus dem Boden schießen wie die Pilze, nur, weil sie LNG heißen und angeblich fossiles Erdgas jetzt die neue nachhaltige Lösung sein soll. Nein, ist es nicht, es ist wenn dann eine Lösung für absolute Notfälle und in kleinsten Mengen, aber Erdgas ist fossiles Gas. Das ist genau so ein Treibhausgas CO2, wenn das Ganze verbrannt wird, wie wenn man Kohle oder Öl verbrennt. Also, es ist einfach illusorisch zu glauben, dass Gas einen über die nächsten Jahre und Jahrzehnte irgendwie das Leben genauso ermöglichen wird wie es bisher war und werden einfach große Veränderungen kommen und vielleicht noch ein anderer Gedanke, der mich in dem Kontext super sauer macht, es wird immer so getan, als wäre es selbstverständlich und normal, dass wir unser Leben so leben können, wie wir es tun und uns wird immer so verklickert: Okay, wir hatten jetzt eine Zeit lang eine Pandemie zwei, drei Jahre das war schon schlimm, aber jetzt geht’s Back to Normal und jetzt machen wir einfach weiter wie bisher und wir haben eine Klimakrise und okay, das irgendwie schlimm, ah, scheiße, warte mal, wir können ja gar nicht Back to Normal, das geht ja gar nicht. Und dass über Jahrzehnte hinweg einem immer verklickert wurde: „Eigentlich ist alles gut und alles entspannt und wir müssen uns schon keine Sorgen machen“, das hat dazu geführt, dass die Menschen so total in ihrer Bequemlichkeit versinken und so sehr überzeugt davon sind, dass die Privilegien, die sie haben, sehr selbstverständlich sind und wir müssen das aber so ein bisschen aufbrechen und sagen: Hey, brauchen wir wirklich diesen Überfluss, brauchen wir wirklich, keine Ahnung, wenn wir den Supermarkt gehen, 100.000 Produkte von derselben Sache, brauchen wir wirklich, wenn wir irgendwo hinreisen wollen, brauchen wir wirklich sechs verschiedene Flugoptionen? Oder ist es nicht vielleicht auch eine Möglichkeit darüber nachzudenken, mal Bus zu fahren oder irgendwie im Zug zu sitzen oder was auch immer? Also, ich glaube, es hat auch ganz viel damit zu tun, wie über die Klimakrise kommuniziert wird, wie ehrlich die Politik mit den Menschen ist und war in der Vergangenheit und ja, so eine Anspruchshaltung, die daraus entstanden ist, dass wir ja irgendwie uns das erlauben dürfen und das ist völlig selbstverständlich sei, Ressourcen und Menschen und die Natur auszubeuten, für unseren Lebensstil und dabei eben das Klima ziemlich kaputt zu machen.
Kai Da sprichst du übrigens eine total interessante und ich finde extrem wichtige Dimension der ganzen Debatte an, also, ein unfassbar, auch wirklich im wahrsten Sinne, unfassbares greifbares Thema, nämlich die Ebene der Werte, also, die ethische. Das ist riesig, aber natürlich ist es ein Stück weit auch deshalb, glaube ich, so eine auch oft aufgeheizte Debatte, weil, ich sag mal jetzt ganz plump, Leute, die sehr wohlhabend geworden sind dadurch, dass sie, sage ich jetzt mal, in der alten, sehr fossil geprägten Welt auf Kosten des Planeten, auf Kosten anderer Menschen, nicht zuletzt ihre eigene Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, wo sie einen 100-faches, tausendfaches teilweise verdienen, die haben ein bestimmtes Wertegerüst. Und ich glaube, die würden auch, neulich gab es doch auch diesen krassen Ausschnitt da, ich habe ich nur den Ausschnitt gesehen aus der Talkshow, aus dem Kommentar von einem sehr wohlhabenden Menschen, der gesagt hat: „Ist mir eigentlich relativ egal. Ich habe keine Kinder.“ Und da sieht man doch in einem so kurzen Statement auch diese ethische Dimension aufgemacht und die kriegst du natürlich ganz, ganz schwer nur mit Argumenten, auch nicht mit, guck dir doch mal hier an, muss ja auch gar nicht, also, früher, ich sag mal ganz böse, früher waren es immer die Spendenaufrufe, wo dann kleine dunkelhäutige Kinder drauf waren in Äthiopien oft, die tatsächlich am Verhungern waren, wirklich am Verhungern waren, die haben dann eine Empathie hervorgerufen bei vielen Menschen, die es gesehen haben. So, heute müsstest du eigentlich fast sagen, wie du sagst in Frankreich z. B. oder jetzt gerade in Spanien, Hitzewelle, in Frankreich machen ganze Orte dicht, weil die Küste kommt, das steht uns ja auch bevor. Also, es rückt dann näher, aber trotzdem, da wird es immer noch Menschen geben, die sagen: „Aber weißt du was, ich habe genug Kohle, ich setze mich halt egal auf welchem Berg oder, wenn es da oben gefährlich wird, baue ich mir halt ein großes Space Shuttle, was aussieht wie ein großer Phallus und fliege damit auf den Mars, ist mir egal, was ihr macht.“ Und davon gibt es, glaube ich, gar nicht so wenige und vor allem, wie du vorhin sagtest, mächtige. Wie geht man denn mit solchen ethischen Diskussionen um?
Clara Ich glaube das Wichtigste ist so zu sehen, dass die aller, allermeisten Menschen nichts Böses für das Klima und die Umwelt wollen, sondern einfach sehr tief in ihrem Alltag drin stecken, der durch ihre täglichen Bedürfnisse irgendwie geprägt ist, dann müssen sie vielleicht irgendwie mit dem Auto irgendwo hin zum Job fahren und dann ist es halt ein Job den sie gerade gekriegt haben und der ist halt bei irgendeinem Großkonzern, der irgendwie viele Emissionen verantwortet und das ist irgendwie blöd, aber da kommen sie irgendwie auch nicht raus. Und ich glaube das Wichtige ist, denen irgendwie gemeinsam klarzumachen, dass es nicht die Schuld der Einzelperson ist, der Arbeitnehmer:innen, die eben in, so blöd es klingt, aber in diesem System gefangen sind und keine Optionen haben, sich anders zu verhalten, weil es eben zum Beispiel superschlecht ausgebauten ÖPNV gibt und so weiter und so fort. Wenn die Alternativen nicht da sind und das alltägliche Leben einem zu einer sehr Klimaunfreundlichen Lebensweise führt, …