Moin und herzlich willkommen „Im Hier und Morgen“, dem Podcast der dich auf eine
Reise in die Zukunft einlädt. Ich bin Kai Gondlach, Zukunftsforscher der modernen Generation und Future Punk.
Moin Zukunft, moin „Im Hier und Morgen“!
Das sind die großen Themen und ich glaube, das sind auch die Themen, die nicht nur mich treiben sollten, hoffe ich, sondern die eigentlich alle Unternehmensleitungen und Menschen mit Führungsverantwortung antreiben sollten auch Dinge zu ändern, und zwar so zu ändern, dass die Unternehmen auch überlebensfähig sind und weiter Innovationen auch tätigen und nicht nur verwalten, was gerade sie machen.
Sagt Heike Leise, denn sie ist in dieser Episode zu Gast. Wir haben uns ein sehr großes Thema ausgesucht: die Zukunft der Deutschen. Und das haben wir nicht ohne Grund gewählt, denn wir machen hier wirklich einen Rundumschlag, insbesondere mit Blick auf die Wirtschaft. Denn Heike ist seit mehreren Jahrzehnten top Führungskraft, kommt eigentlich aus der IT-Ecke. Wir sprechen unter anderem aber auch über das Thema Fachkräftemangel, über New Work natürlich, über Digitalisierung und stellen auch die große Frage in den Raum: Wie arbeiten wir und warum tun wir das eigentlich, wie wir es tun? Und was können vor allem Unternehmen oder auch Arbeitgeber besser machen? Und letztlich aber auch: Warum braucht es eine Frauenquote? Insofern wünsche ich dir viel Spaß, viele Erkenntnisse mit dieser Episode.
Kai: Herzlich willkommen „Im Hier und Morgen“! Heute zu Gast ist Heike Leise und ich freue mich sehr auf das Gespräch, weil wir die ganz großen Themen heute aufmachen wollen und liebe Heike, falls dich jemand noch nicht kennen sollte, dann sag doch mal ganz kurz, wer bist du? Was machst du? Und warum machst du das?
Heike: Erst einmal sage ich hallo und schönen guten Morgen. Vielen herzlichen Dank, dass ich da sein darf und für die Einladung. Finde ich ganz großartig. Ich bin Heike Leise, ich bin seit über 20 Jahren in der IT- und Telekommunikationsbranche tätig, also auch eine Zukunftsbranche. Bin auch bewusst damals dahin gewechselt. Bin seit über 12 Jahren Führungskraft, auch auf dem Top-Management-Level und beschäftige mich schon sehr lange, natürlich gerade auch als Führungskraft damit, wie können wir Unternehmen zukunftssicher gestalten mit dem Thema Zukunft? Welche Komponenten braucht es eigentlich dafür? Was könnten Einflussfaktoren sein? Was kann ein Unternehmen tun? Was kann die Politik tun? Was müssen eigentlich Rahmenbedingungen sein? Und wo kann jeder selbst – das ist immer mein Lieblingsthema – wo kann jeder/jede selbst mal die Ärmel hochkrempeln und nicht drauf warten, dass irgendjemand zuckt, sondern selbst die Sachen in die Hand nehmen. Das mache ich sehr gerne, bin deswegen unter anderem auch aktiv in zwei Verbänden/Vereinen, ehrenamtlich aktiv. Einmal im Bundesverband der Vertriebsmanager, weil Vertrieb auch immer ein Thema ist, bei dem viele denken, das ist so old school. Da fahren Leute durch die Gegend und verkaufen irgendetwas und nein, das ist es gar nicht, also da passieren ganz spannende Dinge, da kann ich auch noch viel zu erzählen, wäre abendfüllend. Und ich bin regional Vorständin bei FidAr Süd, also bei FidAr, Frauen in die Aufsichtsräte e.V., das ist ein gemeinnütziger Verein, überparteilich, unpolitisch, in Berlin sitzend und ich leite die Region hier im Süden und wir setzen uns dafür ein, dass mehr Frauen an die Schnittstellen der Macht kommen, weil wir davon überzeugt sind – und das zeigen ja auch die Studien – dass diverse Teams und auch diverse Führungsteams erfolgreicher sind, als ein ganz homogenes Team.
Kai: Okay, jetzt ist der Bogen schon mal aufgespannt, weil das zeigt ja schon, es gibt so unendlich viele Dinge, also allein schon Unternehmen zukunftssicher zu machen, da hast du schon ganz viele Stichworte genannt, aber was treibt dich jetzt gerade ganz akut am stärksten um, würde ich mal sagen, auch mit dem Background aus IT oder ETK kommend? Was siehst du, als Führungskraft, als jetzt gerade dringendste Hürde an, in den Unternehmen?
Heike: Ich sehe tatsächlich zwei. Ich sehe die ganz große Hürde bzw. große Herausforderung – und ich bin immer so überrascht, dass keiner im letzten Sommer gezuckt hat, als das Bundesamt für Statistik das rausgegeben hat -, dass Deutschland schrumpft. Das ist ja eine Erkenntnis, die, seit ich arbeite, ich arbeite seit 1995, sprechen wir über einen Fachkräftemangel, der immer größer wird und auf einmal ist er da, völlig überraschend. Wenn man sich einfach nur mal die Zahlen anguckt, wie die Geburtenentwicklung ist über die letzten 30 Jahre, das hätte man alles – also ich bin jetzt keine Statistikerin – aber das hätte man wunderbar modellieren können, um dann zu sagen, da muss was geschehen. Also das merken wir in sämtlichen Unternehmen: Fachkräftemangel, Nachwuchsmangel, Leute, eine große Verrentung zurzeit, die Babyboomer gehen in Rente in den nächsten zehn Jahren spätestens. Da verlieren wir ein Drittel, 12,9 Millionen sind es, knapp ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung verabschieden wir in den wohlverdienten Ruhestand. Es arbeiten im Moment 41 Millionen der deutschen Bevölkerung und 12,9 werden gehen und es kommen aber nur 7,4 Millionen nach aufgrund des demografischen Wandels. Das heißt, da haben wir eine riesige Lücke und die müssen wir irgendwie schließen und das passiert nicht von heute auf morgen. Und das führt mich zu dem zweiten Punkt, der mich antreibt mit meinem Unternehmen: Wir müssen ganz viel daran arbeiten, ganz viel analysieren und auch umstellen, wie wir arbeiten. Also das heißt: Tun wir die richtigen Dinge, sondern tun wir sie auch richtig, die wir da tun? Ja, und ich habe immer diesen Dreiklang: Standardisierung, Digitalisierung, Automatisierung. Das ist ein großer Hebel natürlich, um die Tätigkeiten, wo wir im Moment noch Menschen haben, die sie ausfüllen, die aber sich wunderbar auch durch eine Maschine lösen lassen, wo wir die eben künftig auch noch abbilden können. Und das hat nichts damit zu tun, dass Arbeitsplätze abgebaut werden oder irgendwelche Jobs wegfallen, sondern das sind einfache Tätigkeiten, bei denen ich immer denke, wir sind so intelligent als Mensch, das kann auch eine Maschine. Also ich muss nicht copy-paste machen, das kann eine Maschine für mich. Und da gibt es ganz viele Beispiele, was man da alles tun kann, und dafür braucht es natürlich eine Digitalisierung – und da komme ich ja her – braucht natürlich breitbandiges Internet, das haben wir alle gemerkt im ersten Corona Jahr, wo da die die Lücken sind und, dass da ganz viel passieren muss und da muss natürlich auch noch mal eine Geschwindigkeit aufgenommen werden. Das sind die großen Themen und ich glaube das sind auch die Themen, die nicht nur mich treiben sollten, hoffe ich, sondern die eigentlich alle Unternehmensleitungen und Menschen mit Führungsverantwortung antreiben sollten auch Dinge zu ändern. Und zwar so zu ändern, dass die Unternehmen auch überlebensfähig sind und weiter Innovationen auch tätigen und nicht nur verwalten, was sie gerade machen.
Kai: Ja, absolut. Was ist denn deine Beobachtung oder deine Einschätzung dazu? Weil, was du sagst, ist ja so frappierend. Also seit 30 Jahren weiß man, dass dieser demografische Wandel stattfindet. Das ist ja nichts, was einfach so passiert, sondern der ist einfach so und so und kurz darauf, also Ende der 90er, kam dann dieser tolle Ausspruch von Norbert Blüm, von wegen die Renten sind sicher. Also man hatte das damals irgendwie ja schon phasenweise auf dem Schirm, aber vielleicht hat diese Sicherheit auch ein bisschen darüber hinweggetäuscht, dass trotzdem damit verbunden sein müsste, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Warum hat man das nicht gemacht? Warum fällt es jetzt den meisten, ja nicht allen, aber den meisten Betrieben auch einfach auf die Füße? Warum hat man da nicht früher reagiert oder pro agiert?
Heike: Jetzt bin ich keine Psychologin, aber das was ich beobachtet habe ist, dass der Mensch immer erst reagiert, wenn ein großer Schmerz da ist. Also, das ist ja ein ganz menschliches Verhalten. Solange die Komfortzone da ist und es irgendwie geht, funktioniert das und dann habe ich auch keinen Veränderungsdruck. Und erst wenn der Schmerz so groß ist, dass ich sage, ich kann es gar nicht mehr aushalten, dann tut sich was und den Punkt haben wir jetzt erreicht. Wir haben früher mal gesagt, naja, es gibt gewisse Branchen, die betroffen sind, da will keiner mehr rein. Es betrifft alle Branchen, egal mit wem ich gesprochen habe, auch im letzten Jahr, ich war auf der DMEXCO, das ist ja eine supercoole, hippe Messe, ja, da habe ich gedacht, die dürfen eigentlich überhaupt gar keine Probleme haben, die ganzen Aussteller. Die haben alle sich darüber beschwert, dass sie selbst in ihren vermeintlich so coolen Berufen und coolen Branchen und Startup und hip und so weiter, dass da überhaupt nichts voran geht. Und das zeigt: jetzt ist der Schmerz da und jetzt muss aber auch was passieren. Und das ist etwas, wo ich tatsächlich auch sage: da dürfen wir nicht warten! Da dürfen wir nicht warten, dass die Politik irgendwas macht, sondern da müssen die Unternehmen was machen und die müssen eigeninitiativ was machen und nicht drauf warten, dass irgendeine Regelung kommt oder irgendeine Vorgabe. Und das bringt mich zu diesem großen Thema, für das ich ja auch stehe: nämlich ein Umfeld zu schaffen, indem mehr Frauen arbeiten können. Ich bin ein großer Fan. Ich habe eben gesagt, ich bin keine Statistikerin – ich bin ja Geisteswissenschaftlerin und Betriebsrätin von der Ausbildung her -, aber wenn man sich das mal anschaut auf der Webseite des Bundesamts für Statistik – ich bin großer Fan davon – da schaut man sich an: wir haben im Moment knapp 19 Millionen Frauen im arbeitsfähigen Alter. Also arbeitsfähiges Alter heißt zwischen 25 und 59. Kann man auch mal diskutieren, warum nur 59, wenn eigentlich alle bis 67 arbeiten müssen. Aber da haben wir ungefähr 18 oder 19 Millionen, wenn ich das richtig im Kopf habe, und davon arbeiten knapp 40% Vollzeit. So, und es arbeiten knapp 40 Prozent in Teilzeit und 20 Prozent arbeiten gar nicht. Da gibt es natürlich Gründe, warum Menschen nicht arbeiten, da gibt es auch Krankheiten. Das ist alles auch eine freie Entscheidung, aber da ist ein Potenzial und warum schaffen wir nicht – und das kann man im Unternehmen ja machen – schaffen wir nicht familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Da gibt’s ein paar Unternehmen, die sind Vorreiter. Die haben das geschafft, die machen Führung in Teilzeit, die machen Co-Leadership, also, dass sich zwei Menschen eine Führungsrolle zum Beispiel teilen oder die haben ihre flexiblen Arbeitszeiten. Da gibt’s ganz viele Unternehmen, die schon tun aber das Gros, und Deutschland besteht nunmal hauptsächlich aus Mittelstand, 92% der Unternehmen sind mittelständische Unternehmen und Familienunternehmen, da sieht das noch anders aus, weil zum Teil da auch vielleicht die Notwendigkeit nicht gesehen wird oder vielleicht auch da die Hände gebunden sind, was zu tun. Wir hatten von FidAr aus eine Online-Veranstaltung zum Thema Frauen im Mittelstand, Frauen in Führung im Mittelstand. Und da kam das Thema auf: Kinderbetreuung. So als kleines mittelständisches Unternehmen, da kann ich mir keine Kita leisten. Ja aber warum? Warum kann man sich nicht mit anderen Unternehmen zusammentun und so eine Gemeinschaftskita, also ist jetzt vereinfacht gesagt, aber einfach mal andenken, und dann auch von politischer Seite auch eine Förderung dafür z. B. bekommen.
Kai: Gibt es da schon Beispiele?
Heike: Ich kenne sie tatsächlich nicht, ich habe es damals angeregt und gesagt, einfach mal auch in die Richtung denken, dass man sich da zusammentut, Kooperation. Wenn man sich die SDGs anguckt, die ja Zukunft sichern sollen, also das heißt die Sustainable Development Goals, da ist xyz ist Kooperation. Und über Kooperationen einfach überlegen, welche Kooperation können wir eigentlich machen, damit wir ein Umfeld schaffen in den Unternehmen, dass so viele Menschen wie möglich, die auch arbeiten wollen und arbeiten können, auch die Möglichkeit haben zu arbeiten. In Vollzeit oder in der hohen Anzahl an Teilzeit oder wie auch immer oder auch das Männer, das ist ja das zweite Thema, Diversität ist keine ist keine Frauensache, sondern das ist ein gesellschaftlicher Auftrag auch Männern zu ermöglichen in Teilzeit zu gehen ohne, dass man komisch angeguckt wird. Und das ist ja leider heute in vielen Unternehmen immer noch so. Wenn ein Vater sagt: ich gehe in Elternzeit, ja, das dann gesagt wird, boah, Ende der Karriere. Ich denke, das kann auch überhaupt nicht sein, auch, dass diese Kulturen nicht aufgebrochen werden und das ist etwas, was man in den Unternehmen wirklich fördern kann. Da kann man ganz gezielt Diversity-Programme aufsetzen, da kann man ganz gezielt familienfreundliche Umgebungen schaffen und das kann man sich auch abgucken, das muss ja keiner neu erfinden. Auch da wieder Kooperation, und da kann man Best-Practice-Sharing, wie das so auf neudeutsch heißt, kann man auch anstoßen, sich einfach Hilfe auch mal holen oder auch jemand mal reinholen, der einem das aufsetzt. Anders wird es nicht funktionieren, anders werden diese Unternehmen von der Mitarbeiterzahl ausbluten und wenn sie dann nicht gut digitalisiert haben oder es natürlich auch Prozessschritte gibt, die nicht digitalisiert werden können, automatisiert werden können, dann haben sie ein großes Problem, die Arbeit zu bewältigen, die eigentlich da ist.
Kai: Ja, wahnsinnig schwierig und genau da – mit der Kooperation – tun sich ja leider noch so viele Unternehmen schwer. Also, das hat man jetzt immer mal wieder gesehen. So immer, wenn so neue innovative Themen aufkommen, dann gibt es auch zwischen den Großen, auch teilweise ja wieder in Kooperation, wo man manchmal auch ganz erstaunt ist, dass – ich glaube, es waren Audi und Daimler oder BMW -, zusammengearbeitet haben. Und man denkt: krass, ihr macht zusammen jetzt autonomes Fahren, interessant. Das dauert dann zwei, drei Jahre und dann geht’s wieder nicht gut, weil dann sagen sie wieder, das sind jetzt aber unsere Patente. Aber genau auf KMU-Level oder auch generell, finde ich es auch mega-spannend und diese Potenziale müssten ja eigentlich gehoben werden. Jetzt würde wahrscheinlich jemanden aus dem Mittelstand sagen: Ja, und mit welcher Zeit soll ich das bitteschön machen? Weil, ich bin ja schon in der Situation, dass wir keine Fachkräfte mehr kriegen und Arbeitskräfte, auch für andere nicht so fachausgebildete Bereiche, auch nicht mehr. Wir rotieren hier die ganze Zeit und Acht-Stunden-Tag war echt letztes Jahr. Wir sind weit darüber. Wer soll das denn wann machen? Und was würdest du solchen Unternehmen sagen?
Heike: Es gibt so einen Cartoon oder so ein, ja, ein Bild, das ich mal gesehen habe, als wir uns mit Lean Six Sigma beschäftigt haben. Da laufen Hühner durch einen Zaun und der Zaun hat ein Loch und der Bauer läuft dann ganz aufgeregt da durch und versucht die Hühner einzufangen. Und da steht dann drunter: Warum flickst du nicht das Loch im Zaun? Und die Antwort ist: Naja, ich müsste erstmal diese Hühner einfangen. Jetzt ist die Frage: Wo setze ich an? Also setze ich die Priorität richtig in einer Symptombekämpfung oder versuche ich an die Wurzel zu gehen? Und aus meiner Sicht muss man an die Wurzel gehen, ansonsten kriegt man das nicht in den Griff, und dann entsprechend priorisieren. Und das ist ja immer ein großes Thema. Normalerweise machen sich Unternehmen ja einmal im Jahr Gedanken, machen nochmal eine Review ihrer Strategie, auch ihrer Fokus-Themen, ihrer Priorisierung. Normalerweise sollte man das dann unterjährig auch immer noch mal gegenprüfen, weil ganz viel zwischendurch passiert. Kein Mensch konnte eine Pandemie voraussehen, kein Mensch konnte Lieferengpässe voraussehen, kein Mensch wusste, dass ein Krieg ausbricht in Europa. Das sind ja alles Dinge, die kann man nicht vorhersehen, aber das muss man immer wieder auf den Prüfstand stellen, ob das, wo man gerade unterwegs ist – das Unternehmen -, ob das der richtige Weg ist und ob die Maßnahmen auch die richtigen sind und dann sofort agieren. Und das ist etwas, was ich dann den Unternehmen auch immer wieder raten würde, schaut doch noch mal, habt ihr die Prios richtig gesetzt? Wie sehen eure Programme da aus? Und gibt es gewisse Dinge, die ihr vielleicht einfach mal auch sein lassen könnt oder pausieren könnt, die erst in einem halben Jahr auch noch ein Effekt haben? Aber fangt jetzt an – und ein großes Thema ist -, fangt an in Ausbildung zu investieren – zum Beispiel. Also, wenn der Arbeitsmarkt leer ist, dann gucke ich doch: Wir haben ja wieder steigende Geburtenzahlen seit 2009 oder um die 2010 herum, steigen die Zahlen wieder, und jetzt kommen die, das sind die jungen Leute, die jetzt alle in der Schule sind. In zwei, drei Jahren suchen die Ausbildungsplätze: Ausbilden und gute Programme in den Unternehmen aufsetzen, die dann zu behalten – diese jungen Leute -, dass die auch eine Karrieremöglichkeit haben, in dem Unternehmen, und sich nicht rechts und links umgucken oder wenn sie sich rechts und links umgucken, dann nach drei Jahren wiederkommen und sagen: „Jetzt habe ich was gelernt und ich bin bereit für die nächste größere Aufgabe.“
Kai: Genau, ja, absolut, und damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt, also den du auch schon angeteasert hast: Dann muss ich ja das Arbeitsumfeld auch so schaffen, dass das auch für die jungen Leute auch interessant ist. Und natürlich muss man jetzt nicht immer auf den Kompromiss setzen, dass alle den ganzen Tag nur Kicker spielen dürfen oder was auch immer machen dürfen, weil es einfach netter ist. Man muss ja doch schon lernen, wie der echte Alltag funktioniert. Aber wie beobachtest du das aus der Perspektive als Führungskraft, wie die Ansprüche dann auch aufeinander knallen? Ich sage mal vielleicht von Praktikantinnen und Praktikanten, die mit 17 das erste Mal ins Unternehmen kommen oder vielleicht sogar mit 14, mit dem ersten Schulpraktikum – Clash of Cultures?
Heike: Das hängt tatsächlich von den Unternehmen ab. Es gibt Unternehmen, die sind schon recht weit, die haben dann zum Beispiel Open Space. Diese zweier Büros müssten eigentlich ausgedient haben. Das machen aber auch noch nicht alle Unternehmen. Und natürlich gibt es Unternehmen, die auch sagen, wir wollen diese Kultur auch weiter so fördern, wir haben die entsprechenden Mitarbeitenden oder wir suchen auch entsprechende Mitarbeitende, die das schätzen. Da gibt’s ja auch, also es gibt ja kein richtig und falsch, aber es muss aus meiner Sicht immer die Möglichkeit geben, dass man sich etwas aussuchen kann. Und es gibt Unternehmen die bauen eben so um, dass sie sagen, wir haben hier so eine Open-Space-Fläche, da kann man sich das alles aussuchen, wo man dann sitzt und da sind Projekträume oder da sind Kreativräume und da ist dann auch der Sitzsack und da ist dann auch der Tischkicker meinetwegen. Aber wir haben auch stille Arbeitsräume, dass man wirklich Stillarbeit dort verrichten kann, wenn man was konzentriert machen muss und wir bieten aber auch die Möglichkeit, dass man sich meinetwegen, für eine gewisse Zeit zu zweit oder zu dritt einen Raum bucht und dort gemeinsam an Sachen arbeitet. Und dieses Gemeinsame – das ist wieder Kooperation – gemeinsam Sachen arbeiten und nicht einzeln individuell im Elfenbeinturm etwas erarbeiten, das ist ja auch etwas, was unsere Zeit ausmacht und was man ermöglichen muss. Also die Offenheit muss da sein.
Die zweite Offenheit, die da sein muss – und da sehe ich tatsächlich noch Nachholbedarf in vielen Unternehmen – ist, dass wenn junge Leute ins Unternehmen kommen, dass man den zuhört, was ihre Ideen sind und ihnen nicht sagt, jetzt macht das mal so, sondern, wie würdest du es denn eigentlich machen? Denn die jungen Leute sind ja in der Regel auch dann die Konsumenten. Darf man ja auch nicht vergessen. Wir alle Arbeitnehmenden sind auch diejenigen, die die Sachen konsumieren, die wir produzieren – in der ein oder anderen Art – und da sollten wir deren Meinungen natürlich alle mit einbauen. Das ist gut für die Customer Centricity, wie man so schön sagt, für die Kundenzentrierung, für die Kundenorientierung, und hilft natürlich dann auch zukunftsfähige Produkte, Leistungen, Dienstleistungen zu bauen. Das sind so die ersten Sachen, die ich angehen würde.
Das zweite ist natürlich ein generelles Programm: Wie können wir unsere Arbeitszeiten anders aufteilen? Wie können wir auch ermöglichen, dass Menschen in Unternehmen, auch wenn es noch so klein ist, auch mal rotieren, dass die nicht immer nur denselben Job machen? Wie können wir ermöglichen, dass sie auch Mal eine Auszeit nehmen? Das tut jedem mal gut auch mal drei Monate rauszugehen, Sabbatical zu machen oder auch zu sagen, ich reduziere. Ja, es müssen nicht immer 5 Tage sein, können auch vier Tage sein. Da gibt’s ja auch genügend Untersuchungen inzwischen dazu, das es trotzdem produktiv ist und die Leute eine höhere Zufriedenheit haben, auch von einer höheren Mental und Physical Balance. Also, das sind so Sachen, die muss man dann natürlich mit einem HR-Bereich, mit dem Personal-Bereich, aufsetzen, dafür, dass man es flächendeckend macht. Und dann das dritte ist natürlich auch ganz gezielt schauen, wie können wir diversifizieren in den Teams, in den vermeintlichen, nicht-weiblichen Berufen – die gibt es ja nicht, es gibt ja auch keine Männerdomäne -, also da die Offenheit zu zeigen und die Teams so divers wie möglich aufzustellen und natürlich auch die Führungsebenen so vielfältig wie möglich aufzustellen. Das sorgt immer für Reibung oder Reibung erzeugt ja dann auch Energie, wenn Leute unterschiedliche Meinungen haben, aber in der Regel kommt dann doch was Gutes raus, weil ja nicht alle immer an alles denken können. Und das ist ja noch so eine Kultur, eine Denkkultur in Deutschland, dass wir immer glauben: Da ist jemand an der Spitze eines Unternehmens und diese Person weiß alles, ja, und die gucke ich an und die hat die Lösung. Und tut mir leid liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, das gibt es nicht, es gibt niemanden der/die alles weiß, sondern wir können nur gemeinsam gewisse Dinge nach vorne bringen und müssen gemeinsam an den Sachen arbeiten. Und ich bin immer froh, wenn mir jemand was beibringt. Und das ist das Große, dann auch in dem demografischen Wandel, dass man sagt: Die jüngere Generation, die kann der Generation derjenigen, die jetzt Ü40, Ü50 sind, auch noch unheimlich viel beibringen. Genauso, wie die Generation der Ü40, Ü50 und Ü60 auch der jungen Generation ganz viel beibringen kann. Also im Vertrieb zum Beispiel, das ganze Handwerkszeugs, das veraltet ja nicht, das klassische Betriebshandwerkzeug, das kann man wunderbar vermitteln. Und dann kommen die ganzen modernen, digitalen Komponenten dazu, die die junge Generation mitbringen, die mit den Smartphones groß geworden sind. Und dadurch kriegt man ja – wie sagt man so schön – 1&1 macht in dem Sinn dann drei, weil man einen unheimlichen Mehrwert dadurch schafft, dass man die Generationen auch zusammenbringt.
Kai: Auf jeden Fall. Ja, das ist auch dass ich vorhin kurz dachte. Also, wenn dann jetzt so viele zig Millionen Menschen aus dem Arbeitsmarkt rausgehen in absehbarer Zeit, im besten Fall, – weil die haben sich das echt verdient nach vielen Jahrzehnten Arbeit, sollen sie ja auch wirklich gehen – sind ja nicht gleichzeitig die, die nachrücken, schon auf demselben Wissens- und Erfahrungsstand. Natürlich bringen die neue Impulse mit, das ist das Gute. Aber das, was natürlich wirklich gefährlich ist, ist dieser Baindrain durch ganz natürliche Prozesse und weil dann doch oft keine Übergabe stattfindet, man eben nicht in den meisten Betrieben, die ich so sehe, nicht schon fünf Jahre vor Pensionseintritt oder Renteneintritt sagt: „Na komm, du gehst jetzt schon mal auf 50 % runter und wir stellen dir schon mal einen jungen Nachrücker oder Nachrückerin zur Seite, die jetzt erst anfängt, damit ihr miteinander eine Zeit lang zusammengeht.“ Weil das wäre ja eigentlich der optimale Fall. Der andere optimale Fall, du hast es angesprochen, mit Diversity: Bist du ein Fan von der Quote, also jetzt auf Geschlechter, aber vielleicht auch auf kulturelle, ethnische, was auch immer für Hintergründe bezogen, oder sagst du das müsste eigentlich Selbstverantwortung bleiben?
Heike: Ich war lange Zeit der Meinung, es muss eine Selbstverantwortung sein. Also, jeder Mensch muss das doch verstehen. In Deutschland leben 51 Prozent Frauen und 49 Prozent Männer. Da muss es doch logisch sein, aber wir Menschen sind nicht logisch, sondern wir sind ja auch häufig in Traditionen verhaftet. Wir haben auch eine gewisse Kultur, leider uns auch so herangezogen, sodass ich absolute Verfechterin der Quote bin so lange, bis es normal ist. Denn das erleben wir, plakatives Beispiel, auch wenn wir keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn haben, hält sich auch keiner dran. Also, da kann man eine Empfehlung aussprechen, aber wer fährt den 130, wenn da kein Schild ist. Obwohl alle wissen es wäre besser für die Umwelt, es ist auch sicherer und so weiter und so fort, es ist auch günstiger, weil ich nicht so viel Sprit verbrauche – tut ja doch keiner. Ich glaube wir brauchen die Quote und deswegen bin ich auch bei FidAr, FidAr steht ja für die Quote, Frauen in Führung, tatsächlich dahinzubringen, damit wir diese Vielfalt in die Unternehmen reinbekommen und auch die Vielfalt im Denken, damit wir auch nicht einseitige Entscheidungen fällen. Denn das ist ja immer die Gefahr, wenn es zu homogen ist, ja, das ist dann so dieses sogenannte Selbstbestätigungsfeedback, dass man kriegt: Wir haben alles richtig gemacht und, ja genau, Schulterklopfen und da braucht es jemanden oder zumindest auch immer eine kritische Masse. Eine Person wird’s jetzt auch nicht richten, das sehe ich leider auch in vielen Unternehmen, dass man denkt: „Ja, wir müssen eine Quote erfüllen und deswegen suchen wir jetzt mal gezielt eine Frau.“ Und das wird schwierig mit so einem Ansatz. Also, eine Frau ist immer besser als gar keine, aber eigentlich muss man sagen, wir brauchen mindestens zwei Drittel, eigentlich 50%, damit es auch wirklich eine Wirkung entfaltet, die dem Unternehmen gut tut, dauerhaft gut tut. Ansonsten verbrennt man auch viele, viele gute Frauen, die dann sagen: „Ne, ich bin da wirklich ausgeblutet in dem Unternehmen und ich möchte gar keine Führungsrolle mehr haben“, was sehr, sehr schade ist. Das darf eigentlich nicht passieren. So, das heißt, ich bin absolute Verfechterin der Quote, so lange, bis die Menschen verstanden haben, es ist normal und dann braucht es auch nicht mehr. Aber, wir sehen es ja, wir Menschen sind ja, das weiß man ja auch, wenn man Kinder beobachtet, wir gucken uns ja immer alles ab. Wir gucken uns immer ab. Kinder gucken sich ab, wie verhalten sich die Eltern. Wenn die Eltern ihre Smartphones permanent in der Hand haben, dann wird das Kind kein Buch in die Hand nehmen, sondern wird auch mit dem Smartphone rumdaddeln. Und wir gucken uns immer ab, wie machen es andere und lernen dadurch. Und je weniger Frauen und je weniger natürlich auch andere Geschlechter und andere Nationalitäten und andere soziale Herkunft sichtbar sind, desto weniger hat die nachwachsende Generation das Gefühl, dass es normal ist und, dass man das auch kann. Und das ist so dieses Role Model-Prinzip, da braucht es noch ganz, ganz viel von, damit junge Mädchen sagen: „Ja, ich werde gerne Ingenieurin“ oder sagen: „Ich werde gerne Bundeskanzlerin“ oder „Ich werde gerne was auch immer, Professorin an der Hochschule.“ Auch an den Hochschulen gibt es noch viel zu wenige Professorinnen. Ich leiste da meinen Beitrag und anders geht’s im Moment nicht – diese Quote, die gehört einfach daher.
Ein kurzer Hinweis aus dem Off: „Wenn du diesen Podcast, die Redaktion oder einfach nur mich gut findest, gibt es eine Möglichkeit uns zu unterstützen. Über den Drittanbieter Steady HQ kannst du mit einem kleinen monatlichen Beitrag dabei helfen, dass dieses Projekt weiterhin produziert wird und vor allem werbefrei bleibt. Eines Tages können wir uns dann vielleicht auch Unterstützung in der Produktion leisten. Hast du zwischen 2,50 € und 20 € im Monat übrig, um unsere Arbeit zu fördern, dann schau vorbei unter www.im-hier-und-morgen.de jeweils mit einem Bindestrich dazwischen. So, und jetzt geht’s weiter hier im Text.“
Kai: Merkt man ja auch einfach, also, das kann ich nur unterschreiben, auf jeden Fall. Ich habe die Diskussion auch schon sehr oft geführt, finde ich auch wichtig, dass das auch Männer führen, diese Diskussion und auch sagen, ich setze mich dafür ein, für eine Quote, wo immer es geht. Aber das andere ist, ich finde es schade, dass so schöne Modelle existiert haben oder glaube ich immer noch existieren, wo man versucht hat, Schülerinnen insbesondere in naturwissenschaftliche Fächer reinzubekommen, von wegen, dann werden die ja bestimmt alle später Ingenieurinnen und Architektinnen und was nicht alles. Das hat bei einem Teil mit Sicherheit geklappt, aber im Zweifelsfall genau bei dem Teil, der A. aus einem Bildungsmilieu kommt und B., wo wahrscheinlich bei den Eltern auch schon tendenziell eher eine Gleichberechtigung herrscht, bzw. halt auch die Frau schon gearbeitet hat, die Mutter gearbeitet hat. Und das zeigt noch mal ganz klar, also, du kannst Strukturen machen, wie du willst, kannst Vorschriften oder För…